ANTON THIEL 2025



Anton Thiel: TOD & VERKLÄRUNGSTREIFZÜGE DURCH DAS JENSEITS

16. April–17. Mai 2025 Museumspavillon (Mirabellgarten), Salzburg

Softopening: Mittwoch, 16. April 2025, 17.00–20.00 Uhr

18.30: Es spielt Georg Vogel (Musiker, Wien) auf seinem neu entwickelten enharmonisch-vieltönigen
Tasteninstrument Claviton mit 31 Tasten in der Oktave.

Opening: Mittwoch, 23. April 2025, 18.00 Uhr

Einführung: Mag.a. Gabriele Wagner, Leiterin der Stadtgalerien und Walter Müller, Schriftsteller aus Salzburg

Finissage: 17.00–20.00 Uhr

18.30: Es spielt Werner Zangerle (Musiker, Saxofonist, Wien) – Eigenkompositionen


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BILDERGALERIE die Bäume 1–50 ansehen



In die Natur hineingehen und in dieser Natur ein- und ausatmen und in dieser Natur nichts als tatsächlich und für immer Zuhause zu sein, das empfände er als das höchste Glück. In den Wald gehen, tief in den Wald hinein, sagte der Burgschauspieler, sich gänzlich dem Wald überlassen, das ist es immer gewesen, der Gedanke, nichts anderes, als selbst Natur zu sein.

Thomas Bernhard, Holzfällen, 1984



Folgende Anekdote wird über den berühmten chinesischen Maler Wu Daozi erzählt: Er habe in hohem Alter den Auftrag vom Kaiser erhalten, eine Landschaft zu malen. Während der Präsentation des fertigen Bildes, das alle hingebungsvoll be- wunderten, sei der Maler in sein Bild gestiegen, einen gemalten Pfad in die Berge hinaufgewandert und dann in einer Höhle verschwunden. Das Bild habe sich daraufhin in nichts aufgelöst. Von den Griechen hingegen kennen wir die Geschichte des Bildhauers Pygmalion, der sich so innig in eine von ihm geschaffene Marmorskulptur verliebt habe, dass diese lebendig ge- worden sei. Beide Geschichten transportieren einen fundamentalen Irrtum: die totale Illusion (die perfekte Mimesis) wäre mit der Realität austauschbar.

Spannender hingegen ist die skeptische Einsicht des Sokrates, der allem Niedergeschriebenen – dazu zähle ich hier auch die Zeichnung und die damit entstandene Abbildung – misstraute und nur dem gesprochenen Wort im Dialog eine Lebendigkeit zusprach (Platon: Phaidros). Dagegen sei alles Festgehaltene dem Tode geweiht, also erstarrt und dem Leben entzogen. Was tun? Die Verklärung überwindet den Tod und fällt aus der Zeit. Der Rhythmus der Striche und Linien, der Farben und Formen erzeugt ein Darüber-Hinaus, das sich jeglicher Täuschung entzieht, indem es durch Verheißung des Erkennens eine Ahnung vom Vollkommenen verspricht. Ganz da sein. Das Spiel der schönen Kräfte versetzt uns im Vorgang der Anschauung in den Zustand der Glückseligkeit.

Der Begriff Jenseits vermittelt allein durch die örtliche Vorstellung, etwas sei nicht hier, sondern dort und nur durch die Über- windung einer massiven Grenze, die wir gemeinhin als Tod bezeichnen, zu erschließen. Rastlos sind daher jene Menschen, die diese Sphären erhoffen, auf den Moment der Grenzüberschreitung geduldig wartend oder verängstigt, gleichgültig oder verächtlich. Aber gibt es denn jenseits der Grenze des Todes ein Terrain, das oft wie ein großer Wartesaal, eine Traumreise auf einem Kreuzfahrtschiff oder eine mühsame Bergbesteigung mit trostlosen Warteschlangen imaginiert wird? Oder ist es nicht vielmehr so, wie wir bei Paulus (2. Korintherbrief, 3:18) lesen: Jetzt sehen wir die Dinge noch unvollkommen, wie in einem trüben Spiegel, dann aber werden wir alles in völliger Klarheit erkennen. Alles, was ich jetzt weiß, ist unvollständig; dann aber werde ich alles erkennen. Von Angesicht zu Angesicht heißt es, und das ist keine Konfrontation mit einem Abbild, sondern das BILD selbst, Teilhabe am Ganzen. (Anton Thiel, Jänner 2025)

Alle der ausgestellten Zeichnung stammen aus der Serie »Tod & Verklärung • Streifzüge durch das Jenseits«, entstanden in den Jahren 2000 – 2025 in direktem Bezug auf die beharrliche Erkundung der Aulandschaften in der Nähe von Salzburg. BIC-Kugelschreiber auf dorée Zeichenpapier 170 Gramm, Naturweiß, 42cm x 59,4cm (DIN A2)
Anton Thiel lebt und arbeitet in Salzburg/Österreich. Kontakt: mail@antonthiel.at

Das Projekt ist eine genaue und eindringliche Befragung des Stellenwerts der Zeichnung, der Abbildung von Wirklichkeit, dem Verhältnis von Bild und Natur und der Positionierung des Schauenden, des Wahrnehmenden gegenüber einer vermeintlichen Außenwelt zu seiner eigenen Person. Es ist das Eindringen in eine Materie, die letztlich als das eigene Selbst verstanden wird, eine Dechiffrierung der (unberührten) Natur, in diesem Fall des Waldes als Manifestation des Lebendigen und des Toten, ein Versuch, die Lesbarkeit der Erscheinungen in Hinblick auf die große universelle Sprache zu ermöglichen.

Der Tod ist weniger als Phänomen des Absterbens, des Verschwindens durch Verfaulen und Vermodern der Bäume zu ver- stehen (sozusagen als Metapher für die groß angelegte Transformation innerhalb der Natur), sondern als ästhetisch-produk- tives Problem der Erkenntnis: Jede Zeichnung, jeder Strich, jede Offenbarung des Geistes bezüglich des Gesehenen, Wahr- genommenen, Verinnerlichten lässt das Leben in Analogie zu der vollzogenen Spur sterben, also leblos werden. Je inniger sich die Zeichnung der uns umgebenden Natur zu nähern vermag, umso stärker und eindringlicher manifestiert sich der Tod in seiner unerbittlichen Präsenz der Bewahrung der Welt. Es ist der Preis, den der empfindende Mensch mit seinem Versuch, die Zeit – und somit auch die Vergänglichkeit – zu überwinden, zahlen muss. In jeder noch so lebendig erscheinenden, das Leben beschwörenden Darstellung lauert im Hintergrund die Melancholie der Vergeblichkeit.

Die Farben Blau (Ultramarin) und Rot (Purpur) sind konstitutive Teile der Präsentation.