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Der Stuhl scheint in den westlichen Kulturen unentbehrlich geworden zu sein. Der Seinsgehalt des Gebrauchsgutes Stuhl wird nicht mehr in Frage gestellt. Die Notwendigkeit des Stuhles stellt für mich ein absurdes Dogma dar. Der Anthropologe G.W. Hewes hat nachgewiesen, dass sich die Anzahl der wichtigsten Bewegungs- und Ruhestellungen, in welchen man längere Zeit verweilen kann, auf ungefähr 1000 beläuft. Statt Möbel für die unterschiedlichen Ruhe- und Arbeitsstellungen zu entwickeln, werden ständig Varianten des Klischees Stuhls weitergekupfert. Die Notwendigkeit, die Sitzkrücke Stuhl zu hinterfragen, ist Ausdruck einer gesellschaftspolitischen Haltung. Die Klischeevorstellungen der Funktion und der Gestaltung von Möbeln unterliegen der Prägung, der Abstumpfung und der Mode, die vom System und der Geistlosigkeit des Marktes bestimmt werden.
Die Ausstellung der acht Möbel ist der Versuch, aus der eigenen Psyche, den eigenen Lebensgewohnheiten ein individuelles, wesenhaftes DING zu entwickeln. Die Arbeit begann mit der Erforschung seelischen und körperlichen Leibeshülle. Die Ergebnisse sind Prototypen, die in Folge noch zu optimieren wären. Neben der Entwurfsarbeit war es ein weiteres pädagogisches Anliegen, ein Grundverständnis für die unterschiedlichen, selbstgewählten Materialien und für die Beziehung des Möbels zum Raum zu bekommen. Die Vielfalt der Materialien- Papier, Holz, Beton, Stahl, Leder, Leinen, Hanfseile, Kunststoffe- standen in einer gegenseitigen Wechselbeziehung und auch in einer Beziehung zum Ausstellungsraum im Heizkraftwerk Mitte in Salzburg.
Susigoesmad von Katrin Proprenter:
Vier Vakuumhaftsauger, die zum Heben und Tragen von schweren Stein- oder Glasplatten verwendet werden, haften an einem beliebigen, glatten Untergrund. Zwischen den vier Saugklammern befinden sich elastische Expander, die in eine transparente, armierte Kunststofffolie eingenäht sind. Ideales Möbel für längeres Warten auf den Bus oder auf warmes Wasser in der Dusche.
Papperlapap von Alexander Legenstein
Ausgangspunkt des Entwurfes war die individuelle Körperschmiege als Liege zum Lesen. Das Material ist verleimter Wellkarton mit einer Verschleißoberfläche, der bei Bedarf nachgeschnitten werden kann. Die Liege besteht aus drei formschlüssigen Teilen, die einzeln als Hocker, als Duohocker oder als Reithocker verwendet werden können. Ideales Möbel für Menschen, die wenig Geld haben oder wenig Geld für eine Liege ausgeben wollen. Die Liege ist vollständig wiederverwertbar.
Sky-line-drive von Ortwin Zeilner
SKY - LINE - DRIVE heißt auch ein Haus von R. Schindler in Los Angeles. Eine viergelenkige, textile Liege hängt an Seilen, die auf Flaschenzügen gelagert sind. Dem in der Liege Verweilenden ist es möglich, seine textile Hülle mit eigener Kraft vertikal zu heben oder zu senken, ohne die Liege zu verlassen. Weiters ist die viergelenkige Liege im Bereich der Rücken bzw. Bein und Gesäßauflage verstellbar. Ideales Möbel für suicide Baum - oder Felsbewohner.
Sensorium von Severin Weiser
Furnierverleimte Formspannten mit einer Stärke von 12 mm werden mit Hanfriemen verzahnt, die mit einem Klettverschluss zu arretieren sind. Die Liege ist ein dynamisches Vielgelenk, das als Hocker, Paravent oder Haustier genutzt werden kann. Das Möbel ist fragiler Raumfühler, Innenraum und Um-raum. Ein Möbel für Menschen, die gerne einen ganzen Sommer bauen wollen.
Masse von Oliver Beihammer
Eine modulare Steckverbindung macht den Eichenholzhocker in seiner Formschlüssigkeit vom zum Regal bis zum Raumteiler verwandelbar. Als weiteren material-dialektischen Entwurf hat der Verfasser ein Betonscheibenmöbel mit einer sichtbaren Stahlarmierung in derselben Kubatur wie die Eichenholzhocker gebaut. Mit diesem Möbel spart man sich den Fitnessclub.
Wip me up baby von Monika Dünser
Die Bewegung des Schaukelns als Ort der Entspannung. Das Konzept des Schlittens als Archetypus. Die Kufen aus Sperrholz, die Liegefläche ein massiver Ahornrost mit dem Ornament des Stahlsteckdübels. Zerlegbar. Ein Möbel für erotische Zügellosigkeit.
Frame 1 von Bettina Glück
Am Boden mit angezogenen Beinen arbeiten ist der Ausgangspunkt eines dem Gesäß angepassten Tamburins. Der geformte Rahmen ist in seiner Rahmenhöhe so verändert worden, dass das Gesäß leicht angehoben wird und so die Spannung und Biegung der Oberschenkel entlastet wird. Der Rahmen ist mit Leder überzogen, die Bespannung ist an sichtbaren Stahlsteckdübeln befestigt. Ein Möbel mit der Doppelfunktion als Sitz- und Musikinstrument.
Elisabeth von Elisabeth Lindner
Die Kugel als Plazenta : ein Raummöbel, in dem man zur Schwerelosigkeit rollt. Zum Biegen der Buchenholzringe musste eine eigene Wärmedampfmaschine entwickelt werden. Die komplizierte Statik und Konstruktion ließ nicht nur die Protagonistin verzweifeln. Ein Möbel für Romantiker.
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