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Für den Einstieg in das Unterrichtsthema Architektur wurde hier eine praxisbezogene Aufgabe gewählt, um Zugänge über persönliche Erfahrungen anzubahnen. Für einen konkreten Platz im Schulgelände sollte eine Konstruktion entwickelt werden, welche die Funktionen ?Überdachung? und ?Kommunikationsraum? erfüllt, darüber hinaus auch gestalterische Absichten in einer ausdrucksstarken Form zur Geltung bringt. Der Ort, ein befestigter Platz von ca. 4 x 8 Metern ist über eine Treppe aus dem Garderobenkeller erreichbar und stellt eine Verbindung zum Schulgarten her.
Zweck: Pausenraum für Raucher/Forum zum Aufenthalt für Freizeit und Tagesheim.
Den Ausgangspunkt bildete ein Vorschlag, einen bestimmten Ort im Schulgelände für den oben beschriebenen Zweck zu gestalten.
Der Entwicklungsprozess lief über folgende Stationen: Erste Ideen als zeichnerische Skizzen. Formulierung von Raumerfahrungen in räumlichen Skizzen mit freier Materialwahl.
In einer geblockten Einheit von drei Stunden entwickelten die Schüler mit folgender Aufgabenstellung in einer dreidimensionalen Studie freie Raumgebilde.
Entwickle über ein gegensätzliches Begriffspaar ein freies Raumgebilde, das diese Gegensätzlichkeiten darstellt. Wähle aus den vorgeschlagenen Begriffen ein dir entsprechendes Begriffspaar aus und versuche, mit den zur Verfügung stehenden Materialien ein Modell zu bauen. Eine Zeichnung oder ein schriftliches Konzept können dem Modell vorgeschaltet werden. Begriffspaare: hoch tief, schwer leicht, eng weit, innen außen, hell dunkel, offen geschlossen, weich hart, ruhig bewegt, rhythmisch monoton, undurchsichtig transparent.
Mit unterschiedlichen Materialien, die zur Auswahl bereitlagen, entwickelten die Schüler spontan dreidimensionale Raumerfahrungskonzepte. In einer abschließenden Besprechung stellte jeder sein Konzept den Mitschülern vor. In einer schriftlichen Fassung sollten die Formulierungen dann noch präzisiert werden.
Unter Vernachlässigung statisch-konstruktiver Anforderungen entstand in der nächsten Einheit ein Modell im Maßstab 1:25 Die Maße des vorhandenen Baubestands, in den die ?Laube? eingebettet ist, entnahmen sie aus den Rissen vorbereiteter Planauszüge. Hier ging es darum, Vorstellungen für den ausgewählten Ort zu entwickeln und zu präzisieren. Als Material wurden Holzstäbe (Stützen) und Plexiglas (Dach) zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse wurden in einer Reflexionsrunde den Mitschülern erläutert. Unter Verwendung von Modellfotos verfasste jeder eine Konzeptbeschreibung.
Darauf folgte ein zweites Modell im Maßstab 1:50 (Wettbewerbsmodell). Das Ergebnis sollte technisch und ohne hohe Kosten verwirklichbar sein. In dieser Phase taten sich die Schüler am schwersten, weil sie ihre freien Konzepte in Formen bringen mussten, die materialgerecht und von der Konstruktion her mit wenig Geld ausführbar sind. Hier hatte der Architekt alle Hände voll zu tun, den Schülern klar zu machen, wo die Grenzen der Realisierbarkeit liegen. Diese Sachzwänge führten manche in die Nähe der Kapitulation. Es bedurfte einiger Überzeugungskunst, sie zur Weiterarbeit zu ermuntern.
Auch das zweite Modell wurde in einer Projektbeschreibung schriftlich und mit Fotos erläutert. Die drei Niederschriften zu den Modellen hatten zum Ziel, dem Sprechen über Architektur eine begrifflich- ordnende Vertiefung beizugeben.
Die Erarbeitung eines Modells über zwei Vorstufen stellte an die Schüler hohe Anforderungen im Bezug auf Planungsprozesse, Flexibilität in der Umsetzung und räumliches Abstraktionsvermögen.
Große Mühe bereitete ihnen auch die Übertragung des 1: 50 Maßstabsmodell in Grund-, Auf- und Seitenrisse, die vom Architekten exemplarisch an einem Beispiel an der Tafel zum Nachzeichnen vorgeführt wurde.
Ob die Dominanz des Kubus in der Architektur auch damit zusammenhängt, dass komplexere Gebilde ungleich schwieriger in Pläne und in Bauten umzusetzen sind, war eine interessante Frage, die in dieser Stunde aufgetaucht ist.
Während manche Schüler ihre Ideen konsequent weiter entwickelten, kamen andere bei den Folgemodellen durch die Herausforderung der Realisierbarkeit auch zu neuen Lösungen.
Die Werkbeschreibungen hatten eine allgemein verständliche Darstellung der Gestaltungsabsichten zum Ziel. Sie sollten neben dem Modell auch eine Entscheidungshilfe bei der Endauswahl bieten.
In einer Vorauswahl entschieden sich die Schüler der Klasse nach Vorstellung aller Projekte für jene Vorschläge, die als realisierbar angesehen wurden. Die Kriterien waren neben dem Raumkonzept vor allem die Kosten, die möglichst niedrig gehalten sein sollten.
An der Kostenfrage entzündete sich auch eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit des ganzen Projekts:
• Wird die Schule für ein derartiges Vorhaben (noch dazu für Raucher) überhaupt Geld ausgeben? Wollen wir uns bei Widerständen als Betreiber dieses Projekts für die Realisierung einsetzen?
• Wollen wir an der Schule durch ein von Schülern geplantes Projekt ein sichtbares Zeichen dafür setzen, dass die Schüler die Schulumgebung mit gestalten und verändern wollen?
In einer Jury mit Klassensprechern, Direktor, zwei BE Lehrern und den Schülern der Klasse wurden aus der Vorauswahl von sechs Modellen drei Preisträger ausgewählt, von denen sich ein Modell im Rahmen der Möglichkeiten als realisierbar erwies. Dieses sollte am Beginn des nächsten Schuljahres unter der Bauaufsicht des Architekten und unter Mithilfe von zwei Studenten der Werkerziehung gebaut werden.
Das Modell von Josef Lebitsch wurde zur Realisierung vorgeschlagen.
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