Architektur erfahren durch Zeichnen
Aufgabenstellung: Entwurf für Umgestaltung der Aula BG Zaunergasse.

„Bienenhaus, Taubenwand, Vogelnistfelswand, Fuchsbau, Riff, Höhlenberg“.

Der Ort und seine Defizite sind uns bekannt. Unklar ist, wie die sozialen und gestalterischen Leerstellen zu füllen sind. Die große Halle hat eine Reihe von Funktionen wie Aufschließungsraum, Pausenhalle, Buffet, Mittagstisch, Treffpunkt (beobachten und gesehen werden), Veranstaltungsraum, Bewegungsraum, Pufferraum, Mülltrennung, Depot für Möbel, Aufschließung der Bibliothek ...

Die Halle zeichnet sich gegenwärtig primär durch ihre potentielle, vielfältige Nutzbarkeit aus. Die große Kubatur dämmert bewusstlos vor sich hin. Die vielen unterschiedlichen Nutzungsbereiche spielen sich ausschließlich auf einer Fläche ab. Der Aula fehlt die Aura. Es herrscht eine allgemeine Unzufriedenheit.
Ziel unserer Entwurfsarbeit ist die Eroberung des ungenutzten Raumes, der - unterschiedlich differenziert - den notwendigen Rückzugsbereich und Erlebnisraum der Schüler verwirklicht.
Der ebene Raum benötigt eine artifizielle Topographie, die unterschiedliche Raumangebote definiert, entwicklungsfähig bleibt und noch nicht besetzte Räume, die von zukünftigen Prozessen gestaltet werden, offen hält.
Die neue Raumstruktur ist ein Gerüst mit Rucksäcken, eine Qualle, die die einzelnen Lebensbereiche vernetzt, ein transparenter Raumberg, ein Turm der Lebensgefühle, eine Galerie der sozialen Kontakte und ein Versteck für private, ungestörte Interaktionen. Der Turm erschließt sich selber, kann aber auch als eine alternative Erschließung der kümmerlichen Hauptstiege gesehen werden.
Wichtig ist, dass der Gewinn von Nutzflächen immer die Option des Wachstums mit einschließt. Die Konstruktion muss aus finanziellen Mitteln in einem Holzskelettbau erfolgen, der räumlich auszufachen ist.
In der BE-Doppelstunde nach der Sitzung des Schulgemeinschaftsausschusses im November begann die 7B Klasse mit dem Projekt, das sich in folgenden Schritten darstellen läßt.

1. Diavortrag des Architekten:
Die Schüler werden mit Räumen, Möbeln und Einrichtungen aus verschiedenen Kulturen konfrontiert. Dadurch können gewohnte Einstellungen und Meinungen, wie ein Sessel, ein Tisch etc. auszusehen haben, hinterfragt und neue Lösungen ins Auge gefasst werden. Ziel ist die Sensibilisierung für architektonisches Denken.

2. Unsere Aula wird von den Schülern analysiert:
Als Einstieg dient ein Zeitraffervideo: Ein Tag in der Aula des BGZ (ca. 10 Min.). Das Video zeigt viel über den Ist-Zustand der Aula: Durchzugsstraße in die Gänge, Gedränge vor dem Buffet, steigende Unordnung an den selten frequentierten Tischen, kurz: ein von den Schülern nicht angenommener Raum.
Die Schüler der 7B und der 4B kamen u.a. zu folgenden Kritikpunkten:
• Es ist kalt in der Aula (Luftzug, sterile Krankenhausfarben, zu hoch um gemütlich zu sein; ein Aufenthalt über 10 min ist nicht erträglich)
• Es ist unruhig; man kann sich nicht zurückziehen („Durchzugsstraße“)
• Es ist schmutzig, überall Mist...
• Man ist den Lehrern ausgeliefert. (Das Gefühl ständig von oben beobachtet zu werden). Der Raumkubus ist ungegliedert und einsehbar.
• Der einzige „Raum“, der als Rückzug dienen könnte, wird als Abstellplatz für Sessel genutzt (der Raum unter der Galerie neben der Bibliothek).
• Schlechtes Licht: Es herrscht immer Zwielicht; unter der Galerie ist es zu dunkel.

Räume, die von ihren Bewohnern nicht angenommen werden, verschmutzen wesentlich schneller als Räume, mit denen sich Bewohner identifizieren.
Damit ist die Aufgabenstellung umrissen: Ein kalter, zu hoher, unruhiger, schmutziger, schlecht beleuchteter, ungeschützter Raum soll in einen bewohnbaren Ort verwandelt werden, der von Schülern angenommen werden kann, multifunktionell bleibt und das Budget von 120.000.- ÖS nicht überschreitet. Schüler und Lehrer fühlten sich bei diesen Anforderungen erst einmal überfordert.

3. Um die Schüler für architektonische Begriffe und Möglichkeiten weiter zu sensibilisieren, werden zunächst Modelle angefertigt, die mit dem eigentlichen Vorhaben noch nichts zu tun haben: Zu Gegensatzpaaren wie z.B. offen – geschlossen, hart – weich etc. werden architektonische Gebilde angefertigt. Erst nach dieser abstrakten Aufgabe beginnt die Auseinandersetzung mit der eigentlichen Raumsituation: Wir gehen in die Aula und suchen nach Orten, an denen eine Veränderung möglich werden könnte. Jeder Schüler soll am gefundenen Punkt stehen bleiben. Es gibt zwar eine Ballung von Schülern in der Mitte, einige Schüler entdecken aber den Bereich um die Bibliothek. Im Gespräch fällt folgendes auf: Die Aula ist u.a. von der Bodengestaltung als Zentralraum konzipiert, hat aber nicht die Funktion eines Zentralraumes (Buffet- u. Essbereich, Eingang/ Durchzug, Veranstaltungen etc.) Die Mitte (als Ruhepol) wirkt in Hinblick auf die tatsächlichen Funktionen eher störend als beruhigend. Der Umbau kann und soll offene Strukturen beinhalten. Wir müssen kein in sich geschlossenes fertiges System planen. Es wäre gut, wenn auch zukünftige Schülergenerationen Änderungen und Neuerungen vornehmen könnten.
Die Vorstellung von verschiedenen Ebenen und Räumen in der Vertikalen entsteht. Die Schüler könnten sich auch oben auf der Galerie aufhalten und herunterschauen. Wenn man oben baut, kann man den Bereich darunter schützen. Der Architekt verstärkt diese Vorstellung und meint, dass auch eine vertikale Konstruktion das Budget nicht sprengen muss.

4. In der nächsten Phase bauen die Schüler ein Modell der Aula im Maßstab 1:100.
5. In einem 4-stündigen Block entstehen dann die eigentlichen Konzepte und Modelle zur Umgestaltung der Aula. Die Arbeitsaufgabe des Architekten weist die Schüler zu einer vertikalen Lösung der Aulagestaltung an. Die Schüler arbeiten mit einer für den Nachmittagsunterricht ungewöhnlichen Konzentration. („Ich weiß nur mehr, dass ich am Schluss Kopfweh hatte.“)

6. Diese Modelle werden nach den Semesterferien im Klassenplenum besprochen und in Arbeitsgruppen verbessert.

Vier Modelle gehen als Sieger hervor.
Urteilskriterien: Funktionalität (erfüllt der Entwurf die notwendigen Kriterien), Originalität (wie verhält sich der Entwurf zum Gesamtraum), Ausbaubarkeit, geringe Beeinträchtigung bisheriger Möglichkeiten. Essmöglichkeit im Buffetbereich, Lernmöglichkeit, Aufenthaltsraum, Schutzraum: Das Gefühl der Ausgesetztheit soll durch Gemütlichkeit ersetzt werden. Offener Raum: keine abgeschlossenen Kojen, sondern Eingliederung in den Raum. Geringe Beeinträchtigung für bestehende Anforderungen (Veranstaltungen etc.)
Weitestgehend ausgeklammert wurden vorerst finanzielle Fragen. Von den Schülern sollte ohne Kompromisse ermittelt werden, was wirklich notwendig ist, um die Situation zu verbessern. Sie wussten um die finanzielle Vorgabe, aber das Budget sollte die kreativen Arbeitsschritte nicht beeinträchtigen.
Diese vier Kartonentwürfe werden in Pappelholz gebaut. Vier Schüler arbeiten einen Vormittag im Büro des Architekten, um den Präsentationstermin einhalten zu können.
Der Architekt bespricht mit den Schülergruppen die Qualitäten der einzelnen Modelle. Was sie können und was nicht ... Er bringt an dieser Stelle auch das Problem der Finanzierbarkeit ins Spiel und argumentiert folgendermaßen: Primär geht es darum zu ermitteln, was tatsächlich notwendig ist, um eine räumliche Situation zu verbessern. Verschiedene Lösungen entstehen aus dieser Vorgabe. In unserem Fall erfüllt ein Projekt voraussichtlich die Budgetkriterien. Die anderen sind teurer, können z.T. aber mehr.
Vorsichtig geschätzte Kosten: Projekt 1: 120 000.-, Projekt 2: 250 000.-, Projekt 3: 350 000.-, Projekt 4 (Sarah): 500 000.-.
Als Vorbereitung für die Sitzung des Schulgemeinschaftsausschusses wird noch besprochen: Welches Projekt ist gut für diese Schule? Wie könnte man gegebenenfalls durch Sponsoring, Spenden, Flohmärkte etc. weitere Geldmittel auftreiben? Gibt es Eltern, die einbezogen werden könnten (Statiker, Baustoffhandel...)? Gibt es die Möglichkeit eines Projekts, wo auch Schüler in die Bauphase eingebunden werden können? („Wir bauen für uns!“)

7. Präsentation im Schulgemeinschaftsausschuß:
Vorzeigen der Modelle und digitaler Animationen. Die Schüler erklären ihre Arbeiten. Die Vorentwürfe der Schüler wurden vom SGA positiv aufgenommen. Das Projekt 4 (Sarah) wurde aufgrund seiner Vorteile (wenig Raumverlust; bietet viel Platz; Veranstaltungen werden nicht beeinträchtigt) favorisiert. Die Eltern sprachen in diesem Zusammenhang von einer möglichen Vision und guten Entwicklungsmöglichkeit dieser Schule (Schüler gestalten und verändern Schule). Auch die Schülervertreter äußerten sich positiv zu den Ergebnissen.
Die Lehrervertreter zeigten sich ebenfalls beeindruckt. Der SGA sprach sich für eine Fortsetzung des Projektes aus (Weiterentwicklung der Schülervorentwürfe zu professionellen Entwürfen, Prüfung finanzieller Möglichkeiten, Möglichkeit einer etappenweisen Verwirklichung).

8. Präsentation vor dem Kollegium des BGZ (Klaus Fleischhacker) im Rahmen einer allgemeinen Konferenz. Das Echo war summa summarum negativ. Eine Auswahl aus den zahlreichen Einwänden:
Warum hat man keine anderen Räumlichkeiten der Schule für dieses Projekt in Erwägung gezogen? Die hohen Kosten wurden kritisiert - das Geld könnte wesentlich besser genutzt werden. Durch den Umbau wären in der Aula keine Veranstaltungen mehr möglich. Wer ist für die Reinigung zuständig? Wieso zerstören wir unsere schöne Aula, um die uns jeder beneidet? Wir benötigen unbedingt alternative Vorschläge zu diesem Projekt.

9. Präsentation durch Thomas Forsthuber vor dem Kollegium:
Kritische und interessierte Lehrer hatten die Möglichkeit sich die Projekte von Thomas Forsthuber erklären zu lassen. Es erschienen ca. 10 (von über 60 Lehrern). Auch diese Präsentation konnte die mehrheitlich negative Einstellung der Lehrer zur Durchführung dieses Projektes nicht ändern. Es vermehrten sich auch die Stimmen nach Alternativprojekten bzw. nach einem völlig neuen Aufrollen dieses Projektes.

10. Eine Schülerdiskussion und -abstimmung (von Schülern selbst organisiert) verlief positiv.Nach einer Vielzahl an Einzelgesprächen und einer Ausstellung der Modelle im Konferenzzimmer kam es zu einer Abstimmung der Lehrer über die Weiterführung dieses Projektes. Diese führte mit 26:18 Stimmen zu einer Ablehnung.
Für Thomas Forsthuber und Klaus Fleischhacker bedeutete diese Entscheidung den Abschluss des Engagements für dieses Projekt.

Bis heute gibt es keine weiteren Vorschläge oder Äußerungen zur Umgestaltung der Aula.

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