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Anlass für dieses Thema war ein Projekt von Salzburger Kunstinstitutionen zum Thema Kunst im öffentlichen Raum - Public Space? im Salzburger Stadtteil Lehen. Dazu wurden Schulen zur Beteiligung eingeladen.
Aus drei Gründen haben wir uns für eine Teilnahme entschieden:
1. Die allgemeine gruppendynamische Situation in der Klasse und die typische nachpubertäre Entwicklungssituation (Bei Themen, die als interessant empfunden wurden, waren die Schüler zu außerordentlichen Leistungen fähig. In anderen Fällen und bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben waren sie nur schwer motivierbar) legten es nahe, die Schüler vor eine Aufgabe zu stellen, bei der sie sich in Teamarbeit und mit viel Eigenverantwortung einer Herausforderung zu stellen hatten, bei der sie sich bewähren konnten.
2. Diese Bewährung fand nicht im geschützen Raum des Schulalltags statt, sondern in der Öffentlichkeit. Die Produkte, die am Eröffnungstag des Projektes Public Space fertig erarbeitet und präsentierbar sein mussten, entstanden in einem Prozess mit Terminvorgaben und zu lösenden Aufgaben, wie er im Berufsleben üblich ist.
3. Als Einstieg in die Auseinandersetzung mit Architektur standen praktische Erfahrungen im Umgang mit den Benutzern im Vordergrund, nicht formale Analysen.
Die Arbeit in den Gruppen wurde in einer Dokumentation als Zeitung zusammengefasst, welche am Eröffnungstag an die Passanten verkauft wurde. In und vor Geschäften in der Lehener Ignaz-Harrer Straße wurden an diesem Tag auch die fünf Gruppenprojekte präsentiert.
Die erste Beziehung zur Ignaz Harrer Straße war für viele Schüler nicht positiv besetzt: Auf dem Weg zur Schule machen sie wie viele Salzburger ihre ärgerlichen Erfahrungen mit dem morgendlichen Stau. Sie erleben Versäumnissse der Stadtplanung aus den sechziger Jahren. Sie nehmen wahr, was daraus in den neunziger Jahren geworden ist.
Daraus entstanden Fragen nach der Lebensqualität eines Stadtteils, dem sie großteils mit Vorurteilen begegneten, wie eine Sammlung von Assoziationen zu Lehen ergeben hatte.
Der erste Kontakt mit dem Architekten Thomas Forsthuber machte die Jugendlichen hellhörig für Fragen der Baukultur. Lehen ist der einzige Stadtteil Salzburgs mit einer massiven Ansammlung von Hochhäusern, die seit den fünfziger Jahren von Wohnbaugenossenschaften errichtet worden sind.
Wie wohnen die Menschen hier, was sagen sie über ihren Lebensraum? Architektur, das wurde bald klar, ist eine Angelegenheit, bei der es um Beziehungen geht.
Nach der Klärung der Aufgabenstellungen, der Aufteilung der Arbeitsbereiche und der Vorbereitung zu den Recherchen ging es an zwei Halbtagen um das Sammeln von Material. Ausgerüstet mit Fotoapparaten, Tonbändern und Videokameras führten die Beobachtungen und Befragungen der Menschen zu einer differenzierten Wahrnehmung. Dabei gerieten so manche Vorurteile ins Wanken. Der intensive Kontakt mit Bewohnern, Geschäftsleuten und Behörden ermöglichte wertvolle und neue Lernerfahrungen. Die selbständige Arbeit in Gruppen, die Übernahme von Verantwortung, das Treffen von Entscheidungen erweiterte den Unterricht mit lebensnahen Herausforderungen.
Die Auswertung der Materialsammlungen und das Umsetzen in herzeigbare Produkte stellte die Gruppen vor die schwierige Aufgabe, Ergebnisse einem Publikum zu vermitteln.
Aus Zeitdruck musste die Auswertung (Protokolle der Videoaufnahmen, Auswahl interessanter Szenen und Schnitt, interessante Aussagen transkribieren, auf Diskette speichern, Tonbandaussagen transkribieren, auf Diskette speichern, Fotos sichten, auswählen, einscannen und bearbeiten) als Hausaufgabe erledigt werden. Jede Gruppe lieferte (auf Diskette) für die Dokumentation einen Beitrag und Fotos. Unter Federführung des Lehrers entstand das Layout. Ziel der Publikation war es, einen komprimierten Überblick über die gemachten Erfahrungen zu geben.
Textauszüge aus der Dokumentation:
Wir wollten nicht bloß mit den Kameras durch Lehen gehen und den Alltag fotografieren, sondern später Fotos von genau diesem Stadtteil zeigen, die vielleicht ein ?echter? Lehener selbst nicht mehr wieder erkennt oder noch gar nicht zu Gesicht bekommen hat. Dies wollten wir erreichen, indem wir uns mit verschiedenen technischen Möglichkeiten der Bearbeitung herumspielten (Langzeitbelichtung, Computernachbearbeitung). Zusätzlich versuchten wir? einen etwas anderen Einblick in Lehen zu gewähren, z.B. aus der Perspektive von Hochhäusern hinunter auf Lehen. Wir hoffen, hier Dinge zu zeigen, mit welchen sie vielleicht jeden Tag konfrontiert werden, sie aber dennoch nicht sehen? Nebenbei kann man selbstverständlich auch noch die Fehler Lehens erblicken, wie der stark komprimierte Lebensraum und die (absolute) Fehlhandlung durch viele Politiker in den fünfziger Jahren.
Ich habe das Thema interessant gefunden, da Lehen ziemlich verrufen ist. Es hat den Ruf, dass es dort viele ?Proleten? gibt. Es gibt auch nicht so schöne und neue Miethäuser. Wir sind durch Lehen gegangen und haben Mietshäuser aufgesucht, um Mieter zu befragen und die Hausordnung zu fotografieren. Die Mieter in Lehen waren eigentlich sehr freundlich und haben unsere Fragen ausführlich beantwortet. Viele Leute meinten, dass sie von Mietern durch Lärm gestört werden, doch wiederum sagten sie, dass sie selber alle Ordnungen einhalten und niemanden stören. Einige erwischten wir unter der Dusche oder beim Anziehen, doch trotz dieser Umstände konnten sie unsere Fragen beantworten.
Das Projekt hat damit begonnen, dass wir an 2 Tagen durch den Stadtteil Lehen gegangen sind und Mietshäuser aufgesucht haben. In den Mietshäusern haben wir die Hausordnung fotografiert und Interviews mit den Mietern gemacht, um herauszufinden, wie es in diesen zugeht. Wir haben viele Meinungen über die Hausordnungen erfahren und sind zu dem Schluß gekommen, dass sich die Mieter daran halten. Doch wenn man die anderen Mieter fragt, ob sie durch die Nachbarn gestört werden, wurde öfters geantwortet, dass sich diese nicht daran halten. Irgendwie ein Widerspruch, oder nicht?
Nachdem wir 2 Tage durchgearbeitet hatten, hatten wir unser Material. Meiner Meinung nach haben wir viel Neues erfahren. Wir haben erfahren, wie sich die Menschen verhalten und wie sie leben. Wir haben erfahren, wie es in Miethausern in Lehen zugeht. Wir haben auch ein paar schreckliche Dinge erlebt, wie entsetzlich kaputte Häuser oder total verarmte Menschen. Das ist auch ein Problem in Lehen.
Die Suche nach Erholungsplätzen im Stadtteil Lehen kann als Ergebnis (...) im Grunde nur den von Hunden überbevölkerten Lehener Park feststellen. Sozialer Wohnbau allerdings hieße für uns öffentliche, gut funktionierende Einrichtungen (wie z.B. Schwimmbad, Bibliothek usw.). Dies wiederum inspirierte uns zu jenem, auf das Defizit in den oben angeführten Bereichen hinweisende Projekt ?La baignoire?. Der Gehsteig schien uns geeignet zu sein, um durch den ?Urlaub am Hochhausmeer? auf die teilweise fehlende Infrastruktur Lehens hinzuweisen. Die Gründe für den sozialen Wohnraum, der in Lehen mit Parkplätzen, Straßen und Müllablagerungen zu definieren wäre, sind unserer Ansicht nach schon in der Bauzeit aufgrund eines sich auf die Wohnqualitäten negativ auswirkenden Zusammenspiels wirtschaftlicher Interessen und politischer Verantwortungen zurückzuführen.
Wir stellten zu folgenden Themen Fragen: Stadion Lehen, Nahversorgung und Einkaufsmöglichkeiten, Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten, Parks, Stichwort Ignaz Harrer Straße: Eröffnung von Erotik-Shops, Sterben von Geschäften, Verkehr. Die Antworten darauf gingen sehr stark auseinander.
Am Vortag des Eröffnungsfestes sowie in der Zeit unmittelbar vor der Eröffnung wurden die Präsentationen aufgebaut. Während einige aus der Gruppe Besuchern für Fragen zur Verfügung standen, waren andere mit dem Verkauf der Dokumentation betraut. Schließlich sollte der Vormittag auch dafür genutzt werden, die Künstlerprojekte anzuschauen und die Reaktionen des Publikums zu beobachten.
Zeitstruktur:
1 Stunde: Ideensammlung Was fällt dir zu Lehen -Ignaz Harrer Straße ein?
1 Doppelst.:Gruppenbildung /Themenfindung
1 Doppelst: Grobplanung der Konzepte
1 Doppelst: Klärung und Vorbereitung der Aufgaben für den Projekttag
1 Halbtag (Nachmittag) 1 Halbtag (Vormittag) Projekttag
2 Doppelstunden: Abschluss der Vorbereitung der Präsentationen für das Eröffnungsfest
1 Halbtag: Aufbau/Eröffnungsfest Public Space
Finanzierung:
Materialkosten: AK Architektur & Schule, Zuschuss von Public Space, Eigenmittel
Architektenhonorar: ÖKS, Kultur & Schule
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