Der Hanuschplatz als Verkehrsraum und Schnittstelle zur Altstadt ist der Ort mit der größten fließenden Menschendichte in der Stadt Salzburg, Sammelbecken von vorbeiflutenden Autos und funktionalen Bewegungen aller Art. Er ist aber auch das Auffangnetz sozialer Randgruppen, die sonst nirgends mehr Platz haben dürfen. Zwischen den Flussraum und die museale Altstadt gepresst, könnte er der Raum einer potentiellen Urbanität in der Provinzstadt sein. Der Makartsteg über die Salzach, der den Engpass und die Schleuse der Touristenströme in das historische Zentrum bildet, mündet in den Hanuschplatz. Das temporäre Besetzen der architektonisch nicht definierten Schnittstelle Hanuschplatz durch ?Moving House? war ein anfänglicher Leitgedanke für die Projektentwicklung. Das Grundstück gegen den unvermeidbaren Widerstand des städtischen Magistrates zur Nutzung zu gewinnen nahm ein halbes Jahr in Anspruch. Die Qualitäten dieses potentiellen urbanen Orts aufzuspüren und für die Stadt und ihre Menschen erlebbar und verfügbar zu machen, war die Absicht der temporären Architekturstruktur von ?Moving House?. Es definiert zunächst den Ort des zukünftigen Geschehens in der Mitte des Verkehrsstromes und schafft Raum für ein mögliches soziales Leben in der Stadt. ?Moving House? kann (in Fortsetzung von ?Minimal Housing? siehe Seite 56) als Prinzip einer kontinuierlichen geistigen Auseinandersetzung mit der Stadt beschrieben werden. Moving House erschließt sich durch die Transparenz, die Leichtigkeit der räumlichen Strukturen, durch die Wandelbarkeit des Raumes in sich und in Beziehung zur Stadt. Triebfeder ist die persönliche Sehnsucht nach einer ?anderen? Stadt: wo sich im urbanen Raum als lebendigem Prozess, als pulsierendem Organ in ständigem Wandel der Fluss des Lebens vollzieht. Atmende Räume, die auf die Strömungen der Luft reagieren und dem Sonnenlicht keinen Widerstand leisten, sollen die gebaute Einforderung eines anderen Stadtkörpers und einer zukünftigen Lebensqualität sein. Die diffundierende, ambivalente Architektur war als Vermittler zwischen der Kulturflusslandschaft der Salzach und der zum Weltkulturerbe verordneten Altstadt konzipiert. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit dem Hanuschplatz und seinen Hauptverkehrsschlagadern befindet sich die Leere einer Verkehrsinsel mit einem Blumenbeet. Der Hanuschplatz ist langatmiges Grabmal von vielen Architekturprojekten als erfolglosen Versuchen, den Ort städtebaulich oder architektonisch zu definieren. Die Auseinandersetzung mit diesem Ort war Gegenstand einer Seminararbeit. Acht StudentInnen setzten sich in einem halbjährigen Prozess an der Hochschule Mozarteum mit dem Wesen der Stadt auseinander. Die unterschiedliche Projekte zum Ort und zu einem Denk- und Versuchsraum Moving House führten zur Entscheidung für ein Projekt, das dann gemeinsam weiterentwickelt und schließlich auch gebaut worden ist. Die Erfahrungen der ProjektantInnen mit behördlichen Widerständen und mit der Ahnungslosigkeit der politischen Gremien, das mühsame Unterfangen der Finanzierung, und die Erarbeitung eines zwölf Tage dauernden Kunst- und Kulturevents als Interaktion mit anderen Kunstrichtungen an der Hochschule Mozarteum stellte darüber hinaus eine weitere Bildungsabsicht dar. Die flüchtige Wahrnehmung des Ortes, hervorgerufen durch die aufgezwungene Präsenz des Verkehrs, wird durch die plötzliche Anwesenheit von ?Moving House? aufgebrochen. Das Unvermutete, noch nie da Gewesene führte die wartenden und vorbeihastenden Menschen zur Beobachtung, machte sie neugierig oder provozierte Ignoranz. Verstörung oder Aggression stellten eher den Ausnahmefall dar. Moving House behauptete sich in dem vom Verkehr eingeschnürten lnselort und bildete für die Passanten eine neuartige Herausforderung. Ziel war die Vermittlung von Lebensprozessen in Form von architektonischen und künstlerischen Aktionen und das Besetzen des Ortes mit denkbaren Lebensvollzügen. Leere ist an diesem Ort mit der Angst vor der Aktion verbunden. Die Schnelligkeit der Zeit erzeugt die Langsamkeit unserer Gedankenwelt. Das vertraute Standbild der Altstadt und das sichere Gefühl es zu verstehen, weil man es täglich unverändert vor Augen hat, kann als Verweigerung aufgefasst werden, dynamische, existenzielle Lebensprozesse zuzulassen. Das Altstadtmuseum ist eine Kulisse, die in sich und um sich kein anderes Leben außer dem touristischen zuläßt. Die Entscheidung, die steinerne Stadt zum Weltkulturerbe zu erheben, bringt eine ängstliche Verknöcherung zum Ausdruck. Materielle und immaterielle Bewegungen gelten als Unsicherheitsfaktor und machen Angst. Die Erstarrung tarnt sich formal durch bodenständige Kulissen. Bewegung ist in unserer Massenverkehrsgesellschaft ein selbstverständlicher Faktor. Architekturen, die sich bewegen, gelten hingegen als gefährlich. Die temporären Füllstoffe auf der Verkehrsinsel waren neben dem täglich auf- und umgebauten ?Moving House? die Satelliten ?Badehaus?, ?Friseur?, ?Schuhputzer? sowie verschiedene Performances und Konzerte. Die Transparenz der Räume wurde zur Metapher für durchsichtige Lebens- und Kunstabläufe. Die Leichtigkeit der windanfälligen, bis zu sechs Meter hohen Bauelemente machte ständige Experimente mit der Witterung erforderlich. ?Moving House? diffundiert räumlich in den städtischen Umraum und schafft Beziehungen zu den Lochfassaden der Altstadthäuser. Andererseits reagiert es durch die beweglichen Baumelemente auf Luftströmungen. ?Moving House? hat keine Richtung, kein Vorne und kein Hinten. Der tägliche Ab- und Neuaufbau der Raumstruktur war abhängig von den täglich wechselnden Projekten, den Umständen der Witterung sowie von der Lust, angewandte Raumforschung zu betreiben. Es reagierte auf die Strömungen der Kultur und den Fluss der sozialen Interaktionen. Zum Verkehr hin stellte es einen transparenten Schutzschild dar. |
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