Ausstellung BE 8. Klassen
11. 3. 2020
RATHAUS 18.30

Kollegienkirche 20.00

Startseite Startseite Anton Thiel die beteiligten Fächer/Lehrer/Schüler
Startseite Startseite der Schule Was wir nicht wollen
BE-Ausstellungen BE-Ausstellungen die Ausstellungsbroschüre Pdf
X NOfuture*

Grundsatzstatement

Hallo da draußen, ihr Verantwortlichen und Verwalter*innen des Gegenwärtigen!

Nachdem Ihr und Euresgleichen unserer Generation sprichwörtlich die Zukunft verbaut habt, seid Ihr alle zwingend dazu eingeladen, die letzte Ausstellung der Schwerpunktgruppen Bildnerische Erziehung 2020 des Musischen Gymnasiums aufzusuchen, in der unser Ringen mit zentralen Zukunftsfragen dokumentiert wird!

Der Titel unserer Ausstellung "No Future" soll nicht als Einstimmung auf den Weltuntergang dienen, sondern dazu ermutigen, Anteil zu nehmen und Veränderung zu wagen. Schon 1977 wollte die Punkgruppe Sexpistols ihren Song No Future prophetisch verstanden wissen: Wenn du deine Zukunft nicht selbst in die Hand nimmst, dann wirst du auch keine haben – so einfach ist das. So sehen wir das auch.

Wir lesen einfach unser Motto spiegelverkehrt: We give an outlook ON the future of our generation! Macht Euch selbst ein Bild! Kommt und schaut! Bleibt und überzeugt Euch!

wer sind diese NO-FUTURE-Typen, die unsere Zukunft versauen?
die Krieg führen gegen alles, was wir Natur nennen?

es sind die Wohlmeinenden, die glauben, das Problem erkannt zu haben, die aber beschwichtigen, denn eine notwendige Änderung würde an ihrer Bequemlichkeit rütteln. Lass uns abwarten, rufen sie uns zu, möglicherweise sind die negativen Prognosen überzogen und ungenau. Schwankungen in einer gewissen Bandbreite seien schon immer üblich gewesen, und sie wollten sich selbst überzeugen bei ihrer nächsten Fernreise zu den Malediven oder zur Wal-Safari nach Grönland (bevor es zu spät ist)!

es sind die Skeptiker, die schon immer wussten, dass die satten Europäer einen Hang zu dystopischen Fantasien hätten. Es ginge ihnen allen zu gut, deshalb die kokette Nähe zu melancholischer Endzeitstimmung. Depressionen ließen sich behandeln, raten sie, am besten mit einer Radikalkur.

es sind die Schulterklopfer, diese notorischen Optimisten, es ginge vorbei, diese trübe Bobo-Stimmung, dieses hässliche Geraunze über die ausweglose Situation, in die sich die Menschheit hineinmanövriert hätte; Gott habe uns den Verstand gegeben, um solche Situationen mit Bravour zu meistern, aber nicht zum Jammern und Wehklagen.

es sind die Politiker, denen es an ihrer Wiederwahl gelegen ist. Sie zeigen Verständnis für die Sorgen ihres jungen Wählervolkes, die da vor den Residenzen der Mächtigen aufmarschieren, um ihre heraufquellenden Ängste lautstark kundzutun. Noch mehr haben sie aber Verständnis für die Sorgen jener, die befürchten, ihre florierenden Geschäftsmodelle stünden auf dem Prüfstand.

es sind die Bauherrn, die vorgeben, mit Interesse die Forderungen nach Nachhaltigkeit, resourcenschonenden Konstruktionen, klimaneutralen Materialien zur Kenntnis nehmen, um dann aber entsetzt auszurufen, wer denn das alles bezahlen solle.

es sind die Architekten, die es ja wissen müssten, wie man planen sollte, um nicht erneut so ein ökologisches Monster in die Welt zu setzen, aber ängstlich und zustimmend den Kopf vor ihren Geldgebern neigen, denn sie sind Dienstleister wider besseres Wissen.

es sind die Behörden, denen ja alle Hände gebunden sind und eben nur das zu exekutieren bereit sind, was Gesetz ist. Aber was ist das Gesetz? Die unendliche Liste der Ö-Normen, deren Sklaven sie sind, obschon sie sie selbst ersonnen und in die gesetzliche Verbindlichkeit manövriert haben. Ja, Ordnung muss sein, wo komme man da hin, ein wenig könne man schon an dieser oder jener Schraube drehen, um die Situation zu entschärfen.

es sind die Gesetzeshüter, die Rechtsanwälte und all jene unzähligen Juristen, die im Dschungel der Vorschriften, Gesetzestexte, Einschränkungen und gesetzlichen Vorbehalten alles zu einer Injurie machen. Da steht kein Baum mehr lange.

es sind die Lehrer, diese geistigen Influencer, die selbst noch das engagierteste pädagogische Projekt mit ihrem „Du sollst!“ die letzten Funken eines Wirklichkeitsbezugs aus dem Blickwinkel der Aufmerksamkeit der ihnen Anvertrauten vertreiben

es sind die Geldgeber, die Finanziers, die Spekulanten und Spieler der Profitversprechungen, denn sie sehen keinen Zusammenhang ihrer Tätigkeit mit dem Kapital und den daraus resultierenden zerstörerischen Kräften.

es sind die Nutzer, denen gegeben wird, weil sie es dringend brauchen, die darum betteln und nicht danach fragen, ob das, was sich ergibt auch angemessen ist. Es sind jene, die gar keine andere Wahl haben oder es nicht verstehen, weil sie es nie gelernt haben, das Gute vom Schlechten, das Schöne vom Hässlichen, das Ökologische vom Zerstörerischen zu trennen.

es sind die Theoretiker, die es immer schon besser wussten, rückblickend die Zukunft korrigieren und die Zukunft als Vergangenheit missverstehen. Sie brauchen die Katastrophe, um sich an ihr analysierend abzuarbeiten, um sich bestätigt zu sehen, um glücklich zu werden.

es sind die Systemkritiker und auch die Verteidiger des Systems, die einen, weil sie die Katastrophe als systemimmanent begreifen, sich selbst aber nicht; dialektisch halten die Befürworter dagegen, dass nichts sei und nichts wird, wenn nicht das System alles folgerichtig und verlässlich positiv voranschreite. Auf das System sei Verlass, meinen sie vertrauensselig und sind dabei glücklich.

es sind die Unbeteiligten, denen alles vollkommen wurscht ist und denen das Wenden des Kopfes zu anstrengend ist, um wahrzunehmen, was da alles vor sich geht. Wir sind nicht involviert, rufen sie uns zu, noch nicht wollen wir ihnen entgegnen, aber es ist schon zu spät, denn das Krachen der fallenden Bäume übertönt unsere Stimme.

es sind die Dummen, obwohl sie selig im Geiste sind, wird ihnen nicht das Himmelreich offenstehen, denn sie merken gar nicht, wie weit sie schon von einem solchen entfernt sind. Mag sein, dass sie die Kettensägen als sphärische Klänge missverstehen, aber missverstanden ist auch nicht offenbart.

es sind die Hellsichtigen, denen nichts entgeht, die Tag und Nacht auf der Hut sind und denen man nichts vormachen kann. Aber sie sind verstummt, weil sie nicht mehr als falsche Propheten denunziert werden wollen. Ihr stiller Protest geht seit geraumer Zeit in die Leere.

es sind die Medien, die alles und nichts berichten. Wenn sie schneller sein wollen als die drohende Katastrophe, dann ist das Gerücht ihr Begleiter. Wenn sie retrospektiv die Tatsachen vor den Augen und Ohren des müden Publikums ausbreiten, nerven sie wie die Klagefrauen aus der griechischen Tragödie, die den Tod des Helden beklagen.

es sind die Technologien, mit denen wir uns umgeben, auf die wir uns verlassen, denen wir blind vertrauen, sämtliche Hoffnungen konzentrieren wir auf diese Maschinen und ihren Algorithmen in pseudoreligiöser Demut. Alles wird wird gut, rufen wir vertrauensvoll, bisweilen auch ein wenig skeptisch, wofür wir dann als Kleinmütige gescholten werden, als Technologiezweifler, als Zukunftsverweigerer.

es sind schlichtweg wir alle.

A. Thiel