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das wasser des körpers der stadt

Virtueller Brunnen im Bruderhof/Salzburg, 2003

Salzburg ist zweifellos eine Stadt der historischen Brunnen. An zahllosen Plätzen und Innenhöfen haben sich z. T. wunderschön ausgestaltete Brunnen erhalten und sind heute noch - auch wenn sie ihre ursprüngliche Funktion längst verloren haben - ein Grund zur Freude. Auch der moderne Mensch hat noch Sinn für das gestaltete Wasser im urbanen Umraum und jeder Bewohner, Passant und Tourist freut sich über einen Ort sinnlicher Konzentration. Wenn nun der Salzburger Architekt Thomas Forsthuber (Architekturbüro Forsthuber/Scheithauer, Salzburg) ein historisches Gebäude wie den Bruderhof zwischen Linzergasse und Paris Lodron Straße behutsam und gekonnt revitalisiert und mit modernen Zubauten ergänzt, sodass es wieder zu einer geschlossenen Ensemblewirkung kommt, dann kann man nicht in der Gestaltung eines Brunnens unreflektiert auf historische Vorbilder zurückgreifen bzw. deren bloßes Dekor imitieren. Es gilt im Sinne einer Neuinterpretation Altes und Neues zu einer überzeugenden Einheit zusammenzuführen. Was liegt näher, als in einer Zeit elektronischer medialer Präsentationen die Methode virtueller Darstellung aufzugreifen und historische Brunnensituationen in Salzburg über die installierten Displays zu reflektieren. Dabei wird in den Videobildern von dem Salzburger Künstler Anton Thiel keineswegs eine historisierende Zusammenschau präsentiert, sondern im Zusammenspiel des Elementes Wasser mit den plastischen und architektonischen Fassungen bekannter Salzburger Brunnen kommt es zu einer neuen und ungewohnten Sicht auf diese urbanen Kostbarkeiten. Stadtgeschichte in Gestalt eines virtuellen Brunnens wird so in einem gekonnt revitalisierten Viertel in Salzburg nachvollziehbar. Die 25 Minuten dauernde Präsentation, die in meditativer Weise in einer Dauerschleife das Thema Wasser präsentiert, ist nach einer barocken Idee aufgebaut: Die ganze Stadt als lebender Organismus ist mit einem Körper zu vergleichen, dessen einzelne Gliedmaßen und Organe an verschiedenen Stellen der Stadt zu unterschiedlichen architektonischen Ausformungen führt. Dies ist auch an den im „virtuellen Brunnen“ zitierten Details ablesbar: hellbrunn: kalte füße – alter markt: heiße köpfe – mirabell: stolze brüste – marstall: saubere bäuche – st. peter: fromme hände – fischkrieg: müde beine – residenz: feuchte augen. Wesentliche Körperteile werden beispielhaft vorgeführt und visuell interpretiert.
Da virtuelles Wasser sich der unmittelbaren Sinnlichkeit des Durstlöschens entzieht (wie leider fast alle Brunnen in Salzburg)
wird der elektronischen Glassäule ein kleiner Wasserspender als Ergänzung beigegeben, wodurch sich die Virtualität erneut
relativiert.
Salzburg, 16. 3. 2003

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