Anton Thiel |
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das Brothausprojekt automatische Diashow (stoppt durch Anklicken) |
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Anmerkungen zum Brothausprojekt
Missverständnisse sind unser täglich Brot. Sie sind dann ganz brauchbar, wenn sie diskutiert und eventuell auch ausgeräumt werden können. Sobald jemand aus irgendwelchen Gründen etwas falsch versteht, lässt sich aus dieser Differenz des eigentlich Gemeinten und jenem, von der ursprünglichen Intention Entfernten, vielleicht auch Entgegengesetzten, eine Energie gewinnen, die eine Sache weiterzubringen vermag. Meist jedoch lauern hinter den Urteilen, die in Sprache gesetzt und mit der Schrift eine gewisse Gültigkeit in An- spruch nehmen, eine Mischung aus Hilflosikeit, Misstrauen und Orientierungslosigkeit. Ich gehe da durchaus von meinen eigenen Erfahrungen und Defiziten aus. Als Schreibender delegiere ich nur all zu gerne Verantwortung an tradierte Versatzstücke des Denkens, berufe mich geradezu auf die Vorbildhaftigkeit jener Begriffsfelder, die sich in ihrer Verwendung schon immer bewährt haben und gebe bruchstückhafte Beobachtung als Erkenntnisse aus. Eine Frage zu stellen kann eine kommunikative Situation tatsächlich weiter- bringen (und nur so sollten auch die Kommen- tare zur Aktion verstanden werden), die Frage kann allerdings auch lediglich im rhethorischen Zustand verharren. Katastrophal verhält sich allerdings eine Frage dann, wenn sie durch ihre eigene Hohlheit das Befragte ins Bodenlose stür- zen lässt. Ich will hier versuchen, einige der hier angestellten Überlegungen zu konkretisieren. „Ist das Kunst?“ ist eine Killerphrase, die nicht nur in der Boulevardpresse bis zur Neige ausgekostet wird. Es gibt scheinbar eine unausgesprochene Konvention, mit dem Etikett Kunst alles und jedes zu legitimieren oder in Frage zu stellen. Gleichzeitig ist es aber durch die Kürze und Eingeschränktheit der Argumentation nicht erlaubt, die Gegenfrage zu stellen, was Kunst denn überhaupt sei? Die Phrase suggeriert zudem zwei Denkmuster: In der (modernen) Kunst ist alles erlaubt, sie übersteigt alle gesellschaftlichen Normen. In ihrem Schoße wäre also Qualität, Können, Ernsthaftigkeit und Vergeistigung ebenso anzutreffen wie Schund, Anmaßung und Täuschung. Wie schützt man sich also vor Scharlatanerie im Kunstbereich? Wer maßt sich an, als Kulturwächter über das Schöne zu befinden, das Gute zu deklarieren und das Wahre vor dem Falschen zu schützen? Ich persönlich sehe hier nur einen möglichen Ausweg: „Nein, das ist keine Kunst!“ Weder sind es die Schüler als Ausführende noch der Lehrer als Motivierender, die dem Verdacht des Künstlertums ausgesetzt werden sollen, noch das „Brothaus“ selbst, um das sich die Aktivitäten und Handlungen entwickelten. Die Frage stellt sich einfach nicht. Auch nicht vor dem Hintergrund eines Künstlerhauses, das den Salzburger Kunstverein beherbergt und diesen gedanklichen Krankheitskeim auf Grund seines Selbstverständnisses und Aufgabenbereiches schon in sich trägt. Kunst ist nicht, was von einer Institution als solche legitimiert wird, ist auch nicht, was von einem Kulturreporter durch seine Glosse in einer vielgelesenen Zeitung als solche deklariert wird. Kunst ist das, was sich ereignet und in einen bestimmten Lebensprozess eingreift. „Die Idee mit dem Brothaus ist zwar spannend und lustig, was nützt es aber, wenn sie niemand versteht?“ Die Reihenhausserie vor und im Künstlerhaus ist als ein Spiegelbild unseres gesellschaftlichen Handelns konzipiert. Dies signalisiert schon einmal der Titel der Aktion, die für die Salzburger Architekturtage 2008 („architek- tur anders erleben“) gewählt wurde: „Ich und du, Müllers Kuh, Müllers Esel, der bist du!“ Der bekannte Kinderauszählreim ist nicht so harmlos, wie er im Kindergarten eingeübt wird. Rituell wird hier Erfolg und Scheitern von einem Zufall abhängig gemacht, der scheinbar unausweichlich ist. Hier schleicht sich für mich ein falsches Mythenverständnis ein, indem das Unabänderliche als Urgrund aller Existenz deklariert wird, sozusagen ein Fluch der Moiren, der jedem zuteilt, was er demütig zu empfangen hat. Wir erzählen mit unseren Häusern allerdings eine ganz andere Geschichte: Die Geschichte vom Glanz und Elend unserer Existenz, von Gier, Habsucht, Verführtwerden, aber auch von den kurzen Momenten der süßen Zufriedenheit („Schokoladehaus“), und von den dunklen Schattenseiten, die sich unweigerlich im System des bedingungslosen Konsumismus einstellen („Schmutzige Wäsche“ im „Intimhäuschen“). Wir erzählen von der Botschaft der Verwandlung, Auflösung, Transformation: Mauern fallen und werden zu Begegnungs- räumen, Architektur verschwindet und Menschen treten wieder hervor, tote Materie wandelt sich in explosive Energie („Brothaus“). „Lasst die Toten ihre Toten begraben“ (Mt. 8,22), heißt es im Sinne eines neuen Lebensentwurfes. Das gilt sowohl für unseren überkommen Architekturbegriff („Segregationswagen“) als auch für den Kunst- Beschreibung der Bilder
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links: das Intimhäuschen, Karton, verklebt auf Europalette mit Rollen; Innenleben: Samtverkleidung, verschmutzte Unterwäsche
rechts: das Schokoladenhaus, Modell; Schokoladeguss auf Karton mit Streuselzucker |
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Heimat | Fremde • 2007 | ||||||||||||||
Mythos • 2008 | ||||||||||||||
Mahlzeit! • 2009 | ||||||||||||||
VERÄNDERN • 2010 | ||||||||||||||
Betreuer der Seite: A. Thiel • zuerst erstellt: August 2010 |