Vielleicht können sich noch einige an das Brothaus erinnern, das Schüler der 7. Klassen im Zusammenhang mit dem Thema "Mythos" aus 500 Kilo frischen Brotlaiben zusammengebaut und vor dem Künstlerhaus aufgestellt hatten. Passanten, die zufällig vorbeikamen, nahmen jeweils einen Ziegel des Hauses mit, sodass es nach einigen Stunden vollkommen verschwunden war. Bedeutsam für unser heuriges Thema "Nahrung" in mehrfacher Hinsicht: Jeder Essende sieht das Objekt seiner Begierde vor sich, und er sieht es verschwinden, wobei in dem Augenblick des Hinübergleitens aus dem fokussierenden Gesichtsfeld in seinen Schlund, den man selbst nicht sieht und für den andere Sinnesorgane zuständig sind, eine schwebende Unschärfe entsteht, eine Mischung sinnlichen Verschlingens mit betörendem Geruch und nachfolgendem Geschmacksrausch. Das Geräusch der Zähne, die genüßlich die Nahrung zerteilen, der Fluss des Speichels, der die zerkleinerte Speise durchdringt, die Bewegung der Zunge, die den Brei von einer Backe zur anderen schiebt. Dann der Gaumen, die Speiseröhre, der Magen und so weiter. Vor allem die Müdigkeit danach welch ein Genuss! Aber zurück zum Brothaus. Dasein und Transformation. Die Schüler haben damals, ohne dass es ihnen so recht bewusst wurde, ihre Arbeit an den Anfang unserer christlichen Tradition gestellt: Bethlehem (hebr. bet - lechem) bedeutet Brothaus. Was dort für unsere Kultur ihren Ausgang nahm, also initialisiert wurde, ist in direkter und übertragener Weise immer noch schmackhaft, nahrhaft, bekömmlich. Beständige Transformation als Grundmuster unseres Denkens und Handelns.
Wenn nun über das Essen geschrieben werden wird, wenn Schüler Bilder zu diesem Thema produzieren, wenn mit wirklicher und geistiger Nahrung spekuliert und mit deren Effekten jongliert wird, also alles sich ins Metaphorische verflüchtigt, dann stellt sich wie immer die Frage: Wie nahe kommen wir mit unseren Bemühungen dem "wirklichen" Leben, was wissen wir über all die spannenden Stunden und Tage zu berichten, welche Nöte trauen wir uns zu zeigen und welche glücklichen Momente fördern wir zu Tage? Welche Abgründe und poetischen Offenbarungen? Oder wissen wir danach wenigstens, wie viel ein Liter Milch kostet? (Geld ist auch so ein transformatorischr Zwang in unserer Kultur, dem sich kaum jemand zu entziehen vermag. Mag sein, dass die Verweigerung das Fasten eine gewisse reinigende Kraft besitzt, die Freude auf den satten Zustand danach ist berauschend. Zufrieden wie ein satter Säugling bin ich ganz auf mich selbst zurückgeworfen.)
p. S.: Hirn mit Ei ist für manch einen Feinschmecker ein besonderer Leckerbissen. Pädagogisch gesehen steckt da einiges Potential dahinter. (Anton Thiel)