ANTON THIEL




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JÄNNER 2009
THEMA NAHRUNG
Ausstellung 2008-09 Mahlzeit! FEBRUAR 2013
Buchteln APRIL 2011

GEMÜSEEINTOPF

Sie warf die Karotten ins kochende Wasser. Heute gab es Gemüseeintopf. Sie drehte die Temperatur hoch. Weich sollten sie werden, sehr weich. Am Teller sollte man sie dann zerdrücken können.

Sie warf ebenfalls die Paprika in den Topf. Grüne, rote, gelbe. Rote schwammen am meisten darin. Wieder drehte sie am Temperaturknopf Richtung mehr Hitze und verließ die Küche. Sie ging am Telefontisch vorbei und blickte auf den grauen Hörer. Still war er, keinen Ton gab er von sich. Sie ging zurück in die Küche, stellt sich vor den Herd und griff sich einen Kochlöffel. Sie rührte um. Zu wild. Das Wasser schwappte über und es zischte auf der Herdplatte.

Sie fluchte.

Sie rührte abermals um, doch es schwappte wieder über. Zisch...

Sie konnte es nicht.

Das Telefon hatte noch immer nicht geläutet.

Noch immer nicht.

Und jetzt noch immer nicht.

Die Karotten waren schon weich. Sie wollte eine mit den Fingern aus dem siedenden Wasser fischen, doch sie verbrannte sich bloß. Wieder ein Fluch. Diesmal nahm sie den Kochlöffel und drückte den schwimmenden Karottenteil an den Aluminiumrand des Topfes. Sie versuchte ihn zu zerdrücken, aber er rutschte immer wieder davon.

Das Telefon hatte noch immer nicht geläutet.

Sie probierte das gleiche mit einer Paprika und gab es schließlich auf, nicht ohne ihre Wut zu demonstrieren. Sie knallte den Löffel auf die Arbeitsfläche und begann Zwiebeln zu hacken. Hack,...Hack...

Das Telefon läutete. Sie hatte überhaupt nicht mit dem Klingeln gerechnet und hätte es fast überhört. Sie hastete nach draußen und hob ab. Er sagte etwas und sie hörte nur mehr, wie in der Küche der Gemüseeintopf überkochte.

Sophie Friedrich 7A

Text aus der Literaturguppe Prof. Gudrun Seidenauer

ÜBERKOCHEN

Eigentlich wollten wir ja nur Kakao machen.
Und dann war er einfach weg.
Zigaretten holen, hat er gesagt.
Er stieg ins Auto, aber irgendwie konnte ich schon damals nicht ganz glauben, dass er wirklich nur zum Automaten um die Ecke fahren würde.
Geschrien hatten sie. Und mit Gläsern geworfen.
Und alles nur, weil ich gefragt hab, wie die braunhaarige Frau aus dem italienischen Restaurant hieß. Ich hatte sie und Papa zufällig am Weihnachtsmarkt gesehen.
Es weinte keiner der beiden.
Aus, geh.
Hinaus. Beide schickten sie sich verbal in andere Universen.
Aber so richtig gehen, wollten dann doch niemand.
Bis Mama aufstand. Mit zittrigen Händen holte sie zwei Tassen aus dem Schrank.
„Ich hab es schon lange gewusst“, flüstert sie ihren Schal.
Es war der rote Seidenschal, den sie an diesem Tag trug. Vor zwei Jahren hatte sie von ihm zu Weihnachten bekommen.
Damals waren wir nie italienisch Essen gegangen.
Wortlos stand er auf, bewegte sich Richtung Türe.
„Wohin gehst du?“ Ich traute mich kaum zu sprechen, aber diese Frage war weltbewegend – zumindest damals.
Dann war er weg. Wir hörten das Auto davon fahren.
Zigaretten holen.
Die Milch stand immer noch am Herd.
Langsam begann das schaumige Weiß zu wachsen, bis es beschloss den Topf ganz zu verlassen.

Eleanore Kleibl 7

Text aus der Literaturguppe Prof. Gudrun Seidenauer


Ausstellung 2008–09: Mahlzeit!
Buchteln

Vielleicht können sich noch einige an das Brothaus erinnern, das Schüler der 7. Klassen im Zusammenhang mit dem Thema "Mythos" aus 500 Kilo frischen Brotlaiben zusammengebaut und vor dem Künstlerhaus aufgestellt hatten. Passanten, die zufällig vorbeikamen, nahmen jeweils einen Ziegel des Hauses mit, sodass es nach einigen Stunden vollkommen verschwunden war. Bedeutsam für unser heuriges Thema "Nahrung" in mehrfacher Hinsicht: Jeder Essende sieht das Objekt seiner Begierde vor sich, und er sieht es verschwinden, wobei in dem Augenblick des Hinübergleitens aus dem fokussierenden Gesichtsfeld in seinen Schlund, den man selbst nicht sieht und für den andere Sinnesorgane zuständig sind, eine schwebende Unschärfe entsteht, eine Mischung sinnlichen Verschlingens mit betörendem Geruch und nachfolgendem Geschmacksrausch. Das Geräusch der Zähne, die genüßlich die Nahrung zerteilen, der Fluss des Speichels, der die zerkleinerte Speise durchdringt, die Bewegung der Zunge, die den Brei von einer Backe zur anderen schiebt. Dann der Gaumen, die Speiseröhre, der Magen und so weiter. Vor allem die Müdigkeit danach – welch ein Genuss! Aber zurück zum Brothaus. Dasein und Transformation. Die Schüler haben damals, ohne dass es ihnen so recht bewusst wurde, ihre Arbeit an den Anfang unserer christlichen Tradition gestellt: Bethlehem (hebr. bet - lechem) bedeutet Brothaus. Was dort für unsere Kultur ihren Ausgang nahm, also initialisiert wurde, ist in direkter und übertragener Weise immer noch schmackhaft, nahrhaft, bekömmlich. Beständige Transformation als Grundmuster unseres Denkens und Handelns.

Wenn nun über das Essen geschrieben werden wird, wenn Schüler Bilder zu diesem Thema produzieren, wenn mit wirklicher und geistiger Nahrung spekuliert und mit deren Effekten jongliert wird, also alles sich ins Metaphorische verflüchtigt, dann stellt sich wie immer die Frage: Wie nahe kommen wir mit unseren Bemühungen dem "wirklichen" Leben, was wissen wir über all die spannenden Stunden und Tage zu berichten, welche Nöte trauen wir uns zu zeigen und welche glücklichen Momente fördern wir zu Tage? Welche Abgründe und poetischen Offenbarungen? Oder wissen wir danach wenigstens, wie viel ein Liter Milch kostet? (Geld ist auch so ein transformatorischr Zwang in unserer Kultur, dem sich kaum jemand zu entziehen vermag. Mag sein, dass die Verweigerung – das Fasten – eine gewisse reinigende Kraft besitzt, die Freude auf den satten Zustand danach ist berauschend. Zufrieden wie ein satter Säugling bin ich ganz auf mich selbst zurückgeworfen.)

p. S.: Hirn mit Ei ist für manch einen Feinschmecker ein besonderer Leckerbissen. Pädagogisch gesehen steckt da einiges Potential dahinter. (Anton Thiel)


Brothaus 2008
Mahlzeit! – die Literaturzeitschrift der 7AIM & MultiMedia

Betreuer der Seite: A. Thiel • zuerst erstellt: April 2011

Haben wir heute (1. 4. 2011) schon jemanden in den April geschickt?