Einleitung
Sowenig wie irgendein anderer Künstler hat der damals siebenundzwanzigjährige, schon vielgereiste Albrecht Dürer, der sich schon mit Stift und Stichel auskannte, alles aus dem Nichts erschaffen. Er war der Sohn eines Nürnberger Goldschmiedes, und als er im Frühling 1498 eine Holzschnittfolge der Apokalypse begann er nannte sie selber sein Großes Buch -, war das sein erster Schritt zu einem berühmten Künstler. Nachher fragte sich kein Mensch, woher Dürer das Material für diese Fülle kolossaler Visionen hatte, so überwältigend ursprünglich erschien sein Werk den Zeitgenossen. Alles Vorhergehende war auf einmal vergessen. Nur wenige Motive, die er bewusst auf seinen 14 Holzschnitten weggelassen hatte wie die zwei Zeugen und die Hochzeit des Lammes -, wurden von diesem oder jenem Nachahmer, wenn nötig, gelegentlich aus der älteren Tradition übernommen. Aber was bedeutete dies im Vergleich zu dem, was dieser junge Mann sich in den Kopf gesetzt hatte? Natürlich hatte er in der Druckerei seines Paten Anton Koberger die acht Holzschnitte gesehen, die in der 1483 bei ihm erschienenen Bibel die Apokalypse, das einzige illustrierte Buch des Neuen Testaments, begleiteten. Es waren nicht sonderlich schöne Kopien von acht der neun Bilder aus der Kölner Bibel, die 1478-79 bei Heinrich Quentell in Köln erschienen war. Aber trotzdem ließ Dürer seine eigene Technik und seine Ideen einfließen, und er ließ auch sich einfließen (im wahrsten Sinne des Wortes) indem er nämlich mindestens zweimal sich selbst darstellte.
Dürer hat in die Apokalypse seine eigene Interpretation der Holzschnitttechnik eingebracht anstatt sich nur auf ein einfaches Zusammenspiel von Kontur und Schraffur zu beschränken, verschmilzt er diese beiden graphischen Elemente zu einem einheitlichen System aus schwarzen und weißen Flächen und Linien, die sowohl zur Begrenzung einer Figur, wie auch zu ihrer räumlichen Ausgestaltung dienen. Verglichen mit der einfacheren, schematischen Zeichnung der traditionellen Holzschnitte ermöglicht Dürers Methode eine viel realistischere Darstellung, während er gleichzeitig inhaltlich die Motive seiner Vorgänger übernimmt für viele macht eben diese Konfrontation von Realismus mit der rigiden, symbolischen Konstruktion der religiösen Bilder den Reiz, das wunderbare dieser Serie aus.
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