3. Bild
Wie aus einem Katapult herausgeschleudert sagt Émile Mâle unübertroffen -, traben die vier Reiter schräg aufwärts nebeneinander über das Blatt. Unter den Pferdehufen werden die Menschen niedergetrampelt. Der kleine Engel mit sich blähender Albe, der oberhalb der Galoppierenden fliegt ruft: Komm und siehe!, ist nur wie ein flatternder Vogel in einer Wolkenöffnung. Der vorderste (hinterste) Reiter, der Gekrönte, der die Krone über die Spitzmütze mit Quasten gestülpt hat ist ein Fürst. Schussbereit hält er den bis aufs Brechen gespannten Bogen. Der zweite Reiter mit einer spitzen Mütze, die aus aufgeschlagenen, geschlitzten Rändern aufragt, ist ein Soldat ohne Harnisch, der das Schwert des Krieges über seinen Kopf schwingt. Sein Arm ist in einer unnatürlichen Pose nach hinten gestreckt. Der dritte Reiter, die Hungersnot, sieht man in ganzer Figur. Er ist ein Krauskopf mit feistem, glattrasiertem Gesicht, ein reicher Wucherer, geschmückt mit einer Halskette, einem ziselierten Gürtel und einem samtenen Wams; sein Sattel ist bestickt. In einer fetten Hand schwingt er seine Betrügerwaage wie ein Pendel durch die Luft. Außerdem ist er blind. Die Blindheit und die Waage lässt einen stark an Justitia denken, die Gerechtigkeit, also sein Gegenteil. Der vierte Reiter, der Tod, ist ein dünnbärtiges, altes Gerippe mit stechenden Augen und Zahnstümpfen im offenen Mund. Er grinst blind vor sich hin und hält mit beiden knöchernen Händen einen Dreizack. Sein Pferd ist eine so elende Schindmähre, dass die Klapperbeine des Reiters den Boden berühren. Viele die nach und nach vor Dürer waren nahmen statt des Dreizacks die typische Sense, und statt des abgemagerten Mannes, ein echtes Gerippe. Unter dem Pferdebauch gähnt der Höllenschlund, in dem ein toter Kaiser samt Krone rücklings verschwindet. Eine Hausmutter kriecht ächzend auf allen vieren am kahlern Boden, ein Kanoniker im Chorhemd blickt mit brechenden Augen empor, ein Mädchen schreit auf, ein Mönch mit der damals ihm typischen Tonsur liegt wie tot. Nur ein schütterhaariger Bauer ist hochgekrabbelt und macht sich, scheu blickend, rasch aus dem Staub. Seit diesem grandios komponierten Blatt sind die früheren, im Schritt gehenden, halbsymbolischen Reiter endgültig aus dem Bereich der apokalyptischen Darstellung der Vier verdrängt. Dass Dürer bei seinen Reitern nicht einen Augenblick an die parthische Kavallerie und an den Untergang der römischen Welt gedacht hat, wie es bei früheren Apokalypsereitern üblich war, sondern die Reiter ausschließlich als Satire auf die Schurken seiner Welt gesehen hat, machte sie für alle Jahrhunderte aktuell und zugleich zeitlos.
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