2. Bild
Was hat Dürer aus der Thronvision gemacht, die er übernahm, weil sie nicht zu überbieten war? Erstens, er hängte sie über eine der lieblichsten und stillsten seiner Landschaften, den Frieden selber. Man sieht keine lebendige Seele. Es ist Sommer, und man wäre wieder versucht zu sagen: Sonntag. Eine spiegelglatte Meeresbucht blinkt zwischen bewaldeten und mit Burgen und Kirchturmspitzen besetzen Mittelgebirge. Eine fränkische Burg mit Fachwerkhaus und Zugbrücke liegt verschlafen an einem Teich. Ein Sandpfad schlängelt sich zwischen Büschen. Diese Idylle scheint von dem Blitze aussendenden Oval der Vision hoch darüber völlig unberührt. Zweitens, die Vision wird hindurch sichtbar. Die beiden Türflügel stehen bis an den Rand des Bildes sperrangelweit offen, die himmlische Wolke wälzt sich schon über die Schwelle herab. Johannes ist schon mit dem Ältesten, der ihn tröstet, ihm Gespräch. Das Lamm mit Hörnern und Augen, die den Kopf einem Polypen ähnlich machen springt mit den Vorderbeinen auf das Buch, das in des Vaters Schoß liegt. Noch ist es geschlossen, die sieben Siegel hängen heraus. Die Ältesten, alle verschiedenen Typs und Alters, spielen Harfe und bieten ihre Kronen dar oder behalten sie auf. Nicht zwei Kronen sind identisch, es sind 24 verschieden Werke der Goldschmiedekunst. Die sieben Ampeln hängen ohne Ketten frei über dem Thron. Die Lebewesen schweben in der Thronglorie. Vergebens ruft der vor dem Thronschemel stehende Engel. Die Priesterkönige sitzen auf hölzernen Chorstühlen mit niedrigen, aufklappbaren Rückenlehnen. So sehr ist bei Dürer Irdisches im Himmel zu Hause.
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